Giuliano
„Nach dem Coming Out begann mein neues Leben!“
Biografie
Ich heiße Giuliano, bin 27 Jahre alt und komme aus Freiburg, wo ich auch geboren bin. Ursprünglich bin ich Italiener. Ich habe noch drei Brüder und bin behütet aufgewachsen. Meine Familie ist außerdem in einer Gemeinde der Zeugen Jehovas. Ich bin in Freiburg zur Schule gegangen, habe danach erst mal ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht und bin daraufhin in den Pflegeberuf eingestiegen. Also ich bin jetzt offiziell Altenpfleger, habe aber erst sieben Jahre ohne Ausbildung in der Pflege gearbeitet, mittlerweile habe ich doch noch die Ausbildung nachgeholt.
Coming-Out
Ich erinnere mich so dunkel daran. Ich war so 14, 15 Jahre alt als ich gemerkt habe, dass ich schwul bin. Da habe ich immer mal wieder auf der Straße gemerkt, dass mich Männer reizen und habe mir auch Gedanken dazu gemacht, wie das so sein könnte, mit Männern mal meine Erfahrungen zu machen. Ich habe das aber erst mal so für mich behalten, war auch eher zurückhaltend und das ging dann einige Jahre so. Ich hatte auch nie eine Freundin oder das Verlangen danach. Ich hatte nur ganz viele freundschaftliche Beziehungen zu Frauen und war überwiegend mit denen unterwegs, hatte aber noch keine sexuellen Erfahrungen mit Männern gemacht. Die kamen dann eben erst mit meinem Coming-Out. Das war an Silvester 2004, da war ich 17 und da habe ich es meinen ehemaligen Freudinnen erzählt. An dem Abend war ich ziemlich betrunken als ich das gesagt habe, aber dann war es raus. Weil ich das ja alles für mich behalten hatte, war das dann wie ein nächstes Leben für mich, wie so ein neues Kapitel. Damit konnte ich dann richtig gut umgehen und ich war froh, dass ich es endlich erzählt hatte. Ich habe mich danach echt besser gefühlt. Das war ganz komisch, wie so eine Last, die abgefallen ist, weil ich ja sonst immer nichts gesagt hatte. Ich hatte immer geglaubt: „Oh je, in dem Alter ist man in der Pubertät. Da wollen die das ja nicht hören oder man redet nicht darüber.“ Aber dann haben sie das alle akzeptiert und es cool aufgenommen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich aber eben noch nicht so die Erfahrung und habe mich da auch nicht ran getraut. Mit 17 habe ich dann irgendwann doch die ersten Erfahrungen gemacht. Da habe ich wiederum gemerkt, dass ich eigentlich auf ältere Männer stehe und dass jüngere mich eigentlich nicht so anmachen. Aber ich glaube, das lag daran, dass ich einfach selbst noch jung war und wahrscheinlich gedacht habe, dass die anderen Jüngeren auch kaum Erfahrung hatten.
Ich habe mich dann immer mal wieder mit Kerlen getroffen und war mit 18 Jahren schließlich zum ersten Mal verliebt, aber derjenige war leider hetero. Er war auch so um die 30, glaube ich, und war Afghane. Jedenfalls wusste er am Anfang nicht, dass ich ihn toll fand. Wir hatten uns damals in einem Club kennen gelernt. Ich war dort mit meinen Mädels zum Tanzen unterwegs und dann haben wir ihn da kennen gelernt. Der wollte natürlich meine Mädels kennen lernen und nicht mich. Irgendwie hat sich zwischen ihm und mir daraus dann eine Freundschaft entwickelt. Ich hatte gemerkt, dass ich mich in ihn verliebt hatte, hielt das aber geheim. Durch einen blöden Zufall kam es aber schließlich doch raus. Zuerst wollte er nichts mehr mit mir zu tun haben, aber schon am nächsten Tag hatte er es irgendwie akzeptiert oder er konnte plötzlich damit umgehen, obwohl er Moslem war. Aber er hat klar gemacht, dass zwischen uns nie was laufen würde. Von dem Tag an war er eigentlich mein bester Freund. Wir haben fast jeden Tag etwas miteinander gemacht, viel unternommen. Da hätte man fast denken können, da würde was gehen, aber es war einfach nur Freundschaft. Ich wusste natürlich, dass er ist nicht schwul oder bi ist und dass er es auch nicht ausprobieren wollte. Er hatte schließlich seine Mädels am Start, seine Freundinnen. Die wussten zwar auch, dass ich ihn toll fand, aber sie wussten wiederum auch, dass zwischen uns nichts lief. Das ging dann ungefähr drei Jahre lang so und irgendwann hatten wir uns gestritten und seither habe ich ihn auch gar nicht mehr gesehen.
Mit 21 Jahren habe ich schließlich meinen jetzigen Freund bei gayromeo kennen gelernt. Und man kann sich ja vorstellen, was passiert, wenn man sich da untereinander mal trifft. Irgendwie war es dann aber Liebe auf den ersten Blick, denn als ich ihn gesehen hatte, wusste ich: „Oh, das ist er!“ und so ist das dann irgendwie zustande gekommen. Gleich nach etwa zwei Wochen bin ich zu ihm gezogen. Man muss dazu sagen, dass er 28 Jahre älter ist und 20 Jahre mit einer Frau verheiratet war. Er hat auch drei Kinder, von denen zwei bei uns gewohnt haben. Die älteste Tochter war zu dem Zeitpunkt ungefähr 16. Die wusste dann nach kurzer Zeit schon, dass wir zusammen sind. War ja klar, wenn ich ständig dort war. Es war für sie dann auch okay. Die anderen beiden, die waren so 14 und 10 Jahre alt, die haben das dann so nach und nach erfahren und haben es auch akzeptiert. Die ältesten zwei haben, wie gesagt, bei uns gewohnt und sind dann nach drei Jahren ausgezogen und ihrer Wege gegangen.
Jetzt bin ich mittlerweile schon sechs Jahre mit meinem Freund zusammen und ich muss sagen, es klappt selbst mit einem großen Altersunterschied, auch wenn viele bei so etwas denken, ich wäre nur auf Geld aus, weil er ja älter ist und er könnte Geld haben, aber darum geht es nicht. Ich habe nie nach Geld gefragt und war da nicht fixiert darauf. Wir sind ja aus Liebe zusammen. Eigentlich wollte ich keinen älteren Mann mehr. Nach ein paar schlechten Erfahrungen hatte ich mir das mal vorgenommen, aber es hat doch irgendwie geklappt.
Für meine Eltern war das anfangs auch schwierig mit dem Altersunterschied. Aber nachdem sie ihn dann kennen gelernt hatten, war meine Mutter außerordentlich begeistert von ihm. Ich glaube, das liegt zum Teil daran, dass er eben älter ist und dadurch auch mehr Lebenserfahrung hat. Er ist ja auch nett. Meine Mutter hat ihn jedenfalls akzeptiert und fand ihn von vornherein toll. Mein Vater war dagegen eher zurückhaltend. Wir sind ja ursprünglich Italiener und mein Vater ist ursprünglich Sizilianer und auf Sizilien ist es ja ganz konservativ und schwul sein darf man da auf keinen Fall. Der wollte nie was von dem Thema hören, also in seiner Gegenwart sollten wir jetzt nicht zwingend über das Thema reden. Aber dann hat er meinen Freund kennen gelernt und dann gab es bei ihm so eine Art Umschwung. Er hat meinen Freund dann total gemocht und akzeptiert. Er war eben nett und ich glaube auch, dass es an dem Alter liegt und beide auf der gleichen Ebene sind. Seitdem freut sich mein Vater immer, wenn wir zu Besuch kommen. Die knutschen sich dann immer zur Begrüßung ab. Also mittlerweile hat er es akzeptiert. Vielleicht deswegen, weil ich mich nie hingestellt und direkt gesagt habe: „Ups, hier bin ich. Ich bin schwul.“ Das hat sich einfach so ergeben. Nachdem es meine Mutter wusste, war klar, dass mein Vater irgendwann darüber Bescheid wissen würde. Auch meinen Brüdern hatte ich es nie so direkt gesagt. Die haben das so Schritt für Schritt mitgekriegt. Es hat sich einfach aus den Gesprächen ergeben. Und sie haben das alle akzeptiert. Ich meine, irgendwie wusste meine Mutter schon, dass ich schwul bin. Selbst meine Tanten haben mir erzählt, dass sie das schon wussten, weil ich früher als Kind gerne mit Barbies gespielt habe, also das typisch klischeehafte. Und ich war auch immer nur mit Mädels unterwegs, nie mit Kerlen. Es ist heute noch so. Ich habe eigentlich nur Mädels im Freundeskreis. Mittlerweile haben sie es akzeptiert und jetzt heiraten wir. Es steht eigentlich nichts im Wege. Es sagt auch niemand mehr was über unseren Altersunterschied. Es gibt da ja diese blöden Vorurteile, dass es damit nicht gut geht. Die Leute auf der Straße denken auch oft, ich wäre der Sohn von meinem Freund. Aber das ist okay, es wird akzeptiert.
In seinem Freundeskreis sind ja auch alle älter. Die wussten damals auch noch nicht, dass er schwul war. Sein Outing im Freundeskreis und im Geschäft hatte er erst durch mich. Als er mich kennen gelernt und gemerkt hatte, dass es was Ernstes wurde, da musste er schon mit offenen Karten spielen, weil es blöd gewesen wäre, seine Sexualität zu verstecken. Das hatte er ja schon x-Jahre vorher gemacht, in der Zeit als er noch verheiratet war. Irgendwie hat er wohl gemerkt, dass ich die Liebe seines Lebens bin und hat es dann seinen Freunden gesagt. Die haben mich dann auch gleich akzeptiert, obwohl sie eben alle älter sind. Sie fanden mich auch sympathisch. Ich bin zwar jung, aber schließlich nicht wortkarg. Ich bin sehr offen und man kann sich mit mir unterhalten. Er arbeitet ja in einer evangelischen Einrichtung und sogar seine Chefs haben es akzeptiert. Die finden mich auch nett und gehen total klasse mit mir um. Ich unterstütze sie auch ab und zu bei ihrer Arbeit z.B. in der Obdachlosenhilfe oder bei der Vorbereitung von Gottesdiensten. Die wissen dann, dass ich immer gleich dabei bin und mit helfe. Und sie haben auch nichts dagegen, obwohl sie Pfarrer sind. Die sind aber auch jünger und ich glaube, die sind da ein bisschen toleranter, wenn es um Homosexualität geht.
Bei mir auf der Arbeit, also ich arbeite in einem katholischen Haus, hatte ich mir das bisher offen gelassen, ob ich mich oute. Jetzt durch unsere Hochzeit habe ich mir eben überlegt, ob ich dort eine Hochzeitseinladung hin hängen soll. Die Mitarbeiter wissen auch, dass ich schwul bin, aber ich würde es jetzt nicht unbedingt den Bewohnern im Pflegeheim sagen, weil ich nicht weiß, wie die damit umgehen. Ich habe da zwar einen Bewohner, der selbst schwul ist, aber ich hatte auch schon einen Bewohner, der war Nazi und wenn der gewusst hätte, dass ich schwul bin, dann hätte er mich wahrscheinlich rausgeschmissen. Aber ich muss ja nichts dazu sagen und er hat das bisher auch nicht gecheckt.