Harald & Tom
“Wir sind zusammen und das ist wichtig”
Harald und Tom sind seit zwei Jahren ein Paar. Harald ist HIV-positiv, Tom negativ. Da Harald seit Jahren unter der Nachweisgrenze ist, vertrauen sie auf Schutz durch Therapie und setzten sich für Antistigmatisierung ein.
Harald: Schön, dann fang ich mal an: Ich bin der Christian Harald und ich bin jetzt 31 Jahren positiv. Ja und hab einfach das Glück gehabt, dass ich den Tom vor 2,5 Jahren kennengelernt habe.
Tom: Ich bin Tom. Ich bin mit Harald seit zwei Jahren liiert und nicht positiv. Und seine HIV-Erkrankungen stellt für mich überhaupt kein Problem dar. In keinster Weise. Viele Menschen sagen, „Wie kannst du“ und ich sage „Jetzt grad erst recht“, um den Leuten zu zeigen, dass das eigentlich kein Problem ist, wenn man weißt, damit umzugehen.
Wie habt ihr euch denn kennen gelernt?
Tom: In einem Bistro.
Harald: Oh Gott!
Tom: In einem Schwul geführten Bistro.
Harald: Ja schon, aber im Grunde genommen ist es ein ganz normales Bistro. Und ich bin da hin und wollte einen Kaffee, und zwei Tische nebendran saß er und ich muss wirklich sage, ich hab ihn gesehen und gedacht: „ Boa, sieht der Mann geil aus.“ Es ist so! Und ich habe gedacht: „Den Mensch musst du irgendwie kennenlernen“. Und ich wusste überhaupt nicht, ob er schwul ist oder nicht. Und ich hab einen dummen Spruch gebracht, ich bin dann her und hab gesagt: „Tschuldigung, haben Sie mal Feuer für mich?“
Tom: Joa und so sind wir dann halt ins Gespräch gekommen.
Harald: Ja, Moment! Was hast du dann darauf gesagt?
Tom: „Wenn´s ertragen kannst“, hab ich gesagt. Ich muss dazu sagen, ich war eigentlich für ein Ledertreffen in Mannheim vorbereitet und war dementsprechend auch montiert.
Harald: Und dann sind wir ins Gespräch gekommen.
Tom: Dann ging´s recht schnell.
Harald: Und wir sind zusammengezogen, nach 6 Monaten, wo ich wirklich sagen muss, das war eine schwierige Sache für mich, weil ich noch nie mit jemandem zusammengezogen bin. Und ich hab wirklich Angst davor gehabt. Aber der Erflog gibt uns recht. Manchmal sind wir beide irgendwie etwas nervig, aber es ist okay. Ich denke, es ist einfach auch wichtig, dass man sich manchmal auch mal kappelt und reibt.
Und deine Diagnose?
Harald: Also, das habe ich im Grunde genommen beim zweiten Mal gesagt.
Tom: Ja, beim zweiten Treffen. Ich wusste es schon. Also man sieht’s, dass er krank ist. Ob´s jetzt HIV ist oder Krebs oder sonst irgendwas. Ja, und dann hat er so rumgedruckst und gesagt „Du, ich bin positiv.“ Und da hab ich gesagt: „Und jetzt? Was ist jetzt das Problem?“ Er hat mir damals gesagt, dass er schon sieben Jahre unter der Nachweisgrenze liegt, also das er „nicht infektiös“ ist.
Harald: Richtig. Und dann ist mir damals richtig die Klappe runtergefallen, als er gesagt hat „Was soll´s“. Weil ich mein, ich kenn´s von der damaligen Zeit. ´95 hab ich meine Diagnose gekriegt. Und ich mein, ich habe mich ´84 infiziert, mit 17.Und ich hab nie im Leben gedacht, dass ich HIV habe. Und da weiß ich noch, das war damals schon ziemlich heftig. Bei mir war das einfach ein Todesurteil. Und ich hab dann gedacht: „Naja, wenn du noch 2000 erlebst, dann bist du noch gut dabei.“ Das hat sich bei mir dann einfach so gemacht, dass ich gedacht hab: „So und jetzt erst recht!“ Und inzwischen ist es jetzt im Grunde genommen relativ normal. Ich mein, ich hab damals 36 Tabletten am Tag genommen und inzwischen drei. Ich find´s nicht gut, wenn jemand HIV hat, aber man kann damit überleben. Und das ist dann einfach eine Sache, wo ich dann sag: „Das ist doch das Wichtigste im Leben.“
Also ihr habt euch nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt entschlossen, das Kondom wegzulassen?
Harald: Am Anfang war ich sehr vorsichtig. Und wollte wirklich nur mit Kondom. Und dann war er schon so ein bisschen hellhörig. Ich hab ihm dann einfach gesagt, dass ich es wichtig finde, dass man Kondome nimmt. Dann war das für ihn auch okay. Und dann hab ich ja gesagt, dass ich positiv bin, aber schon sieben Jahre unter der Nachweisgrenze. Trotzdem wollte ich, dass er sich noch mehr informiert. Er hat dann einfach in der AIDS-Hilfe alles gelesen, was er darüber finden konnte. Und dann war das okay. Es ist dann einfach so gekommen.
Tom: Richtig. Mittlerweile kann man auf das Kondom verzichten.
Schutz durch Therapie. Wie läuft das ab?
Harald: Ich bekomme alle drei Monate Blut abgenommen. Und dann wird das im Labor untersucht. Früher hat man immer gesagt, dass die Helferzellen das Entscheidende sind. Aber es ist eigentlich die Viruslast, die wirklich wichtig ist, sodass die Ansteckung nicht mehr vollzogen werden kann. Wenn du 6 Monate unter der Nachweisgrenze der Viruslast bist, dann ist eine Ansteckung nicht mehr möglich. Das ist im Grunde genommen das Tollste. Es geht auch einfach um die Psyche von jemandem. Du hast am Anfang einfach gedacht, du bist eine Virusschleuder. Da habe ich am Anfang wirklich extreme Probleme gehabt. Und dann kannst du einfach heut ganz beruhigt und ganz normal damit umgehen.
Tom: Es ist ja gerade das Problem, dass sie Infektionsrate wieder steigt. Und gerade die Jugendlichen sehr locker mit umgehen. Und sowas denken wie, „Gut, wenn ich mich infiziere, dann nehme ich Medikamente und dann ist alles okay.“ So ist das nicht, weil die Folgen einer HIV-Infektion vielfältig sind: die psychischen Folgen, die Stigmatisierung- den Jugendlichen ist das gar nicht klar, was da alles passiert, der ganze Rattenschwanz, der da dran hängt. Die ganzen sozialen Geschichten, das ist dann wirklich das, was den Menschen kaputt machen kann. Grad einen jungen Menschen kaputt machen kann.
Klärt ihr darüber auf? Und wie geht ihr damit um?
Tom: Also ich geh damit ganz offen um. Man denkt nicht, dass ich schwul bin. Und wenn wir zusammen weggehen, dann sag ich halt „Ja und? Ich bin schwul. Und das ist mein Mann. Fertig.“ Entweder sie akzeptieren es oder sie können mich in Ruhe lassen. Das sind die zwei Möglichkeiten.
Harald: Natürlich, das ist so! Aber ich denke, dass ist immer so. Es gibt einige Menschen, die dich mögen und einige, die dich nicht mögen. Aber Pech. Was soll ich machen? Und ich muss wirklich sagen, ich hab so viel gemacht. Die Leute haben mich in der Zeitung gesehen. Es ist mir sowas von egal, was die Leute denken. Also ich muss dazu sagen, ich war ja bis 30 ungeoutet. Und dann dacht ich so: „Und jetzt nicht mehr“. Und dann habe ich das ganze total umgedreht, hab mich total geoutet. Hab dann zu meinem Angestellten gesagt: „ Hört zu: Ich muss euch zwei Sachen sagen: A, ich bin schwul. Und B, habe ich HIV und AIDS.“ Dann ist ihnen erstmals die Klappe runtergefallen. Aber dann habe ich ihnen gesagt: „Ihr habt jetzt sieben Jahre mit mir zusammengearbeitet. Ich war sieben Jahre positiv. Habt ihr irgendwas bemerkt?“ „Ne!“ Dann waren die komplett beruhigt. Die hätten das nie erwartet und ich muss wirklich sagen, es ist das Beste, wenn man den Leuten den Wind aus den Segeln nimmt. Ich weiß, wie es ist, wenn du lügen musst, um irgendwelche Sachen aufrecht zu erhalten. Das bringt nichts. Ich finde es einfach blöd, und ich habe noch nie schlechte Erfahrungen gemacht, wenn du sagst, dass du positiv bist. Ich habe schon Leute kennengelernt, die sagen: „Das ist nicht mein Ding.“ Aber noch nie jemanden, der sag: „Das ist jetzt blöd.“ Du hast auch einen besseren Zugang zu den Leuten.
Warum engagiert ihr euch in dem Projekt? Was wollt ihr mit eurer Geschichte sagen?
Tom: Also für mich ist es wichtig, den Leuten zu sagen oder auch aufzuzeigen, dass es durchaus möglich ist, dass ein Positiver und eine Nicht-Positiver zusammenleben und sich lieben können, ohne irgendwelche Probleme. Und das man aufhören soll, ja, einen Menschen, der „krank“ ist, zu stigmatisieren oder auszugrenzen. Meine Erfahrung ist leider immer noch so, dass Menschen offen ausgegrenzt werden. Und von oben herab angeschaut werden „Kuck mal, der ist krank“. Und das akzeptiere ich nicht.
Harald: Da muss ich wirklich sagen, mir macht ´s nicht mehr viel aus. Weil für mich ist es dann die Sache zu sagen, „Moment, ist da was?“. Und dann komme ich wieder ins Gespräch. Und ich habe das noch nie erlebt, dass jemand total geblockt hätte. Und da finde ich es ganz gut, dass man den Leuten sagt: „Ich positiv und er negativ. Wir sind zwar unterschiedlich, aber wir sind zusammen und das ist wichtig.”
Tom: Vor allem soll man auch einfach dazu stehen. Es gibt’s ja noch mehr, solche Beziehung, in der einer positiv ist und der andere negativ. Aber man traut sich nicht darüber zu sprechen oder sich zu outen. Ich finde, das sollte man viel mehr machen, um der ganzen Sache die Schärfe raus zu nehmen.
Harald: Da muss ich auch wirklich sagen, dass das für mich sehr wichtig ist, das man einfach sag: „Kinder, es geht!“
Tom: Richtig!
Harald: Man muss es öffentlich machen, weil sonst die Leute nie den geregelten Lebensablauf wieder reinkriegen. Und das ist wichtig, dass die Leute sehen, dass es klappt. Und ich meine hallo, es gibt wenige, die fast 31 Jahre vom Fach sind. Ich meine, ich war 17, als ich mich infiziert habe. Bei meinem ersten festen Freund. Aber das ist halt so. Man muss einfach Probleme angehe. Und das ist wichtig.
Tom: Man muss öffentlich werden. Man darf da nicht klein denken. Man muss es den Leuten zeigen. Man muss es den Leuten vorleben.
Harald: Das ist es.
Tom: Nicht Zuhause, sondern offen ausleben. Und zeigen, dass das funktioniert und es das gibt. Erst dadurch wird das normal.